was bisher geschah

Ich bin Jess, 27 Jahre jung, Berlinerin. Ich bin laut, humorvoll, lebensfroh, ungeduldig, gutgläubig, wissbegierig, ausgeglichen. Der Ursprung meiner Geschichte, die ich mit euch teilen möchte, beginnt vor 5 Jahren, das Jahr indem ich mein Gleichgewicht verlor.

Glaubst du an Seelenverwandte? Ich schon – denn ich hatte Eine. Einen Menschen, der für dich schwimmt, wenn du ertrinkst. Für dich lacht, wenn du weinst. Für dich sieht, wenn du erblindest. Für dich spricht, wenn du verstummst. Für dich aufsteht, wenn du liegen bleibst.
Ich kann mich unendlich glücklich schätzen denn ich hatte diesen Mensch. Viele viele Jahre – Seite an Seite. Eine Verbindung die keine Worte braucht um zu kommunizieren. Jetzt ist der Moment in dem mir die Tränen über die Wange laufen, denn keine Zeit dieser Welt könnte diese Wunde in mir heilen oder das Vakuum schließen, welches dieser Mensch in mir hinterlassen hat. Dieser Mensch, mein Mensch, trug den Namen „Katja“.

Stell dir vor, du hast auch dieses Glück und triffst diesen einen Menschen, welcher von Herzen das Alles für dich tut – natürlich würdest du dasselbe für ihn tun, oder nicht? Leider ist das Leben nicht immer fair zu uns und nimmt mir damals die Chance etwas für Katja zu tun, was ihr helfen könnte. Katja, damals 16 Jahre, lebensfroh, mutig, liebenswert, schlau, das Herz am rechten Fleck – Ihre Diagnose: Sarkom, eine aggressive Art von Krebs.

Für uns folgen harte Jahre im Kampf gegen dieses Monster. Gemeinsame Nächte im Krankenhaus, Visionen über unsere Zukunft sobald dieser Alptraum bekämpft ist, Chemotherapien, Bestrahlungen, Amputationen. Wir verlieren niemals den Mut, wir kämpfen. Von Tag zu Tag nimmt der Krebs ein Stück mehr von den Menschen, den ich am meisten auf dieser Welt liebe. Jeden Tag gebe ich ein Stück mehr von mir. Nach zwei Jahren, scheint der Kampf endlich besiegt zu sein. Der Krebs zieht sich zurück, wir sind stärker – er gibt auf.

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So scheint es, denn er kehrt zurück, stärker denn je. Es vergehen nur einige Monate und dann passiert es. Der Moment, in dem mir bewusst wird, dass es völlig belanglos ist was ich tue. Mir wird bewusst, dass wir Menschen machtlos sind.

06.04.2015 – Ich halte Katjas geschwächte Hand. Ihre letzten Worte zu mir „was soll ich im Himmel nur ohne dich tun?“ – sie stirbt. Das ganze Leben erscheint mir sinnlos. Der beste Teil von mir, weg. Für immer. Wenn „Für immer“ vorher keine ernsthafte Bedeutung hatte, in diesem Moment schon.

Es folgen Jahre geprägt von Abgrenzung. Mich von Menschen und Emotionen abzugrenzen, ist damals meine Art mit meinem Schmerz zurechtzukommen. Ich stürze mich in Arbeit, mutiere zum Workaholic, arbeite 60 Stunden die Woche, manchmal mehr.
Liebe kann ich nicht zulassen. Die Leere in mir füllt mich, da bleibt kein Platz für andere Gefühle. Ich bestrafe mich selbst, zerstöre mich selbst.

Plötzlich der Moment, der mir das Leben gerettet hat. Ich bekomme eine Strafe und ein Geschenk zugleich. Ich werde selbst krank. Eine Autoimmunerkrankung, passend zu meiner damaligen Situation. Mein Immunsystem arbeitet gegen meine eigenen Organe, gegen mich selbst. Das ist der Moment, der mich zurück in das Leben holt, ich entscheide zu kämpfen. Auch dieser Kampf erweist sich als schwierig. Denn trotz der richtigen Medikamente, geht es mir schlecht. Jeden Tag schlechter. Ich verliere fast meine ganze Schilddrüse, über die Hälfte meiner Haare. Muskelschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Herzstolpern, chronische Blasen- und Magenschleimhaut Entzündung, sind nur ein Bruchteil meiner Symptome.

2019 – der Höhepunkt und die Wendung. Ich wache eines Morgens auf und habe kein Gleichgewicht mehr. Laufen, nicht mehr möglich. Das Selbstverständlichste der Welt, wird mir genommen. Der Schwindel macht es mir nur möglich gerade auf dem Rücken zu liegen. Gefolgt von einem lauten Tinnitus auf meinem rechten Ohr. Ich schlafe 18 Stunden am Tag und der Wille aufzugeben ist groß. Dieser Zustand zieht sich über 8 Wochen. Mehr als 30 Arztbesuche, Erfolglos. Nichts hilft mir. Mir fehlt die Kraft zu kämpfen, ich verliere langsam die Hoffnung.

Dann passiert es. Ich entscheide aus meinem niedergebranntem Leben, die Asche zu sammeln und es neu aufzubauen. Ich zwinge mich jeden Tag zu laufen. Es beginnt ein harter Kampf zwischen meinem Körper und meinem Willen. Ich entscheide mich selbst zu belesen und mir selbst zu helfen. Ich befasse mich mit dem Unterbewusstsein des Menschen, dessen Kraft. Ich befasse mich mit körperlicher und geistiger Gesundheit. Ich meditiere. Ich lese Bücher, Artikel, Berichte. Mit diesem Wissen stelle ich mich selbstständig wieder auf die Beine. Mein Gleichgewicht kehrt langsam zurück. Kein Medikament dieser Welt, hätte mir damals so helfen können wie die Erkenntnis die ich gemacht habe:

Photography by Maja Seidel
Der Grund für meine Zerstörung war ich selbst. Wir alleine sind für unsere Gesundheit verantwortlich. Unser Körper wird uns durch die gleiche Kraft, die uns schuf, wieder heilen. Unser Körper, jede Zelle, jedes Organ, jedes Atom, arbeitet für uns und besitzt die Fähigkeit sich selbst zu heilen. Mit unserer Unterstützung. Das einzige Heilprinzip ist der Glaube und es geschieht nach unserem Glauben.

Die andere Erkenntnis, wir können unseren Körper dabei unterstützen zu genesen. Das Schlüsselwort lautet „Ernährung“. Ich befasse mich mit diesem Thema und entscheide mich für ein Fernstudium im Bereich Ernährungsberatung mit dem Schwerpunkt:
„Gesund durch Ernährung“ und „Sportlerberatung“.

Mit meinem selbst erlernten Wissen arbeite ich eineinhalb Jahre an mir selbst. Genese von Tag zu Tag ein Stück mehr. Physisch und mental. Die meisten Symptome verschwinden oder schwächen ab. Mein Körper verändert sich von Tag zu Tag, entwickelt sich. Meine Lebensfreude kehrt zurück. Ich öffne mich Menschen, ich öffne mich dem Leben.

Es liegt einzig und allein in unserer Hand, ob wir gesund oder krank sind, ob wir glücklich oder unglücklich sind. Wir entscheiden zu leben oder zu überleben. Ich habe entschieden zu leben. Alles, was du dazu brauchst, steckt in dir, du musst es nur finden.

Ich möchte dieses Wissen für einen guten Zweck einsetzen und Menschen helfen, die sich, wie ich damals, im Stich gelassen fühlen. Ihr seid nicht alleine und es gibt einen Weg sich wohl in seinem Körper zu fühlen und glücklich zu leben!
Was immer für dich Glück und Schönheit bedeutet, wie auch immer du es definierst, du kannst es selbst sein. Du musst es nur entscheiden.

WIDMUNG

Katja, ich bin unendlich dankbar, dass ich meine Seelenverwandte treffen durfte. Auch, wenn uns so viel kostbare Zeit genommen wurde. Diese Situation hat mich zu diesem starken, disziplinierten, fokussierten Menschen gemacht, der ich heute sein darf. Ich sehe das Leben als Geschenk und das wichtigste ist: Ich lebe intensiver, ich liebe intensiver, ich glaube intensiver, ich kämpfe intensiver.

Natürlich habe ich die schwerste Situation nicht alleine überwunden. Mein größter Dank geht an den stärksten Menschen, den ich kenne, meine Mutter Mila. Du bist mir in keinem Moment von der Seite gewichen und hättest nie zugelassen, dass Aufgeben eine Option ist.

An meinen Vater Andrej, auf dich ist immer Verlass. Deine innere Ruhe und dein Optimismus machen dich aus und geben mir immer das Gefühl von Sicherheit. Dir ist kein Weg für mich zu weit.

An Daniel, meinen Freund, du hattest den Mut von Bangkok nach Berlin zu ziehen, um mich bei meiner Genesung zu unterstützen. Du lässt nie zu, dass ich auf der Stelle trete, sondern zwingst mich jeden Tag aus meiner Komfortzone heraus. Ohne dich wäre es mir heute nicht möglich da zu sein, wo ich bin. Du holst jeden Tag das Beste aus mir heraus, du bist mein Treibstoff.

Meine besten Freundinnen

Melis, meine Uni-Freundin, welche nach so viel Ablehnung meinerseits Jahre um unsere Freundschaft und den Menschen, der irgendwo in mir noch verborgen war, gekämpft hat.
Du hat mich nie aufgegeben.

An Alexandra, du warst immer an meiner Seite und du bist für mich nicht nur meine Familie, sondern eine große Inspiration und starke Persönlichkeit.

An Victoria, eine treue Freundin, welche mich jahrelang durch jedes Hoch und jedes Tief begleitet hat und mich immer versteht. Du warst immer da, wenn ich es am wenigsten erwartet habe.

An Charline, du zeigst mir immer wieder, dass man das Leben nicht zu ernst nehmen sollte. Die Momente in denen ich mich am lebendigsten gefühlt habe, waren immer mit dir. Du hast mein Leben zu einem liebevollen, verrückten Abenteuer gemacht. Zu sehen, wie du von einer kleinen unscheinbaren Ente zu diesem starken, wunderschönen Schwan herangewachsen bist, erfüllt mich mit so viel stolz.

An Nadine, meine Allrounderin. Was immer ich gerade brauche, du kannst das sein. Wenn es um den Menschen geht, den du liebst, kennst du keine Grenzen. Respekt.
Du hast an den dunkelsten Tagen an meiner Seite gekämpft. Den Platz in meinem Herzen hast du dir erkämpft und den hast du sicher.

Ihr alle habt mir gezeigt, dass man nicht nur einen Seelenverwandten in seinem Leben treffen kann. Ihr alle seid ein Geschenk und ihr macht mein Leben so viel lebenswerter.